Mythos Trakehner

Schönheit, Eleganz, Adel, Intelligenz und Härte

Trakehner verkörpern viele Attribute, nach denen die Pferdezucht seit Jahrhunderten strebt. Diese sind auf eine jahrhundertelanger Selektion und Zuchtgeschichte bis ins Jahr 1732 zurückzuführen. Jedoch ziehen Trakehner nicht nur aufgrund ihrer besonderen äußeren und charakterlichen Eigenschaften hohe Aufmerksamkeit auf sich, sondern auch durch ihre glanzvolle, dramatische und bewegende Vergangenheit. Diese findet ihren Ausgangspunkt bereits im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts in der Urbarmachung des ostpreußischen Sumpflandes und erreichte gegen Ende des zweiten Weltkrieges mit der Annexion Ostpreußens und dem beinahen Untergang des Trakehner Pferdes ihren traurigen Höhepunkt. 

Ein kurzer historischer Überblick

Die Anfänge im 18. Jahrhundert

Bereits im 13. Jahrhundert, als das Gebiet um Trakehnen und des heutigen Baltikums zum Deutschordensstaat zählte, züchteten die Ordensritter auf der Grundlage des dort beiheimateten Schweikepferdes, einem genügsamen und robusten Kleinpferd aus der Region, schwere, widerstandsfähige Militärpferde und errichteten einige Zuchtstätten. Diese hatten nach dem Zerfall des Deutschordensstaates keine weitere große Bedeutung mehr, wenngleich die Nachkommen der Pferde der Deutschordensritter weiterhin im späteren Gebiet Preußens als Nutztiere beheimatet waren.

Im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts begann der Preußenkönig Friedrich Wilhelm I, das Sumpf- und Waldgebiet um Trakehnen unter großem Aufwand urbar zu machen. Ziel dessen war die Errichtung einer zusammenhängenden Infrastruktur, die eine Pferdezucht für das preußische Heer ermöglichen sollte. Das gesamte Vorhaben erforderte einiges an Finanzen und an Arbeitskräften. Diese wurden teils durch gezielte Neuansiedelungen in das bisher eher spärlich besiedelte Gebiet geholt – darunter ungefähr 600 Salzburger Protestanten, die der Fürsterzbischof Leopold Anton Freiherr von Firmian durch das berüchtigte Emigrationspatent aus ihrer eigentlichen Heimat ausweisen ließ. Friedrich Wilhelm stellte sie unter Schutz des preußischen Staates und gewährte ihnen im Kreis Gumbinnen eine neue Heimat.

1732 eröffnete das königliche Stutamt Trakehnen mit einem Bestand von ungefähr 1000 Pferden. Zum Gestüt zählten etliche Gutshöfe, die sogenannten Vorwerke. Die damaligen Pferde können als Ahnen der Trakehner gesehen werden und gehen auf die litauischen Schweike und die Nachkommen der Pferde der Deutschordensritter zurück. 1739 übergab Friedrich Wilhelm das Gestüt an seinen Sohn, den späteren Friedrich den Großen. In seinem Besitz konnte die Qualität des Pferdebestands verbessert werden, was vor allem auf das Engagement und die Weitsicht des damaligen Gestütsleiters zurückzuführen war. Ebenfalls war es diesem zu verdanken, dass sich die Landespferdezucht etablieren konnte, da er eigens Hengste als Landesbeschäler aufstellen ließ. Neben zahlreichen Privatgestüten entstanden in dieser Periode auch vier Landgestüte, deren Leitung von Trakehnen aus erfolgte. Daraus ergibt sich die Unterteilung in „Trakehner“ und „Ostpreußisches Warmblut Trakehner Abstammung“: Demnach wurden Pferde aus dem Hauptgestüt als Trakehner bezeichnet, Pferde des gleichen Typus, die jedoch aus privaten Gestüten oder Landesgestüten stammten, waren Pferde mit Trakehner Abstammung. 1787 wurde das ursprüngliche Brandzeichen, eine einfache siebenendige Elchschaufel, eingeführt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde begonnen, orientalisches und englisches Vollblut in den Bestand einzukreuzen, um einen leichteren, ausdauernden und harten Typ von Militärpferd zu erhalten. Bald waren dadurch die Pferde aus Trakehnen für ihre Schnelligkeit bekannt und wurden zudem von Privatpersonen gerne als Wagen- und Kutschenpferde genutzt, wenn gleich die Hauptnutzung der Pferde durch den Militärdienst erfolgte. In dieser Periode wurde ebenfalls begonnen, Pferde nach Farben und Blutanteil in eigene Herden einzuteilen. Dabei beherbergten das Hauptgestüt und einige der Vorwerke jeweils eine oder mehrere Herden bestimmter Farben und körperlicher Ausprägungen - so war beispielsweise die Fuchsherde als die edelste Herde bekannt oder die Rappherde als großkalibrig und kräftig.

Trakehnerzucht ab dem 19. Jahrhundert

Der Zusammenbruch Preußens 1806 durch Napoleon hatte eine Evakuierung des Hauptgestüts zur Folge, was sich 1812 wiederholte. Napoleon erlitt beim Russlandfeldzug einen Rückschlag, und die überlebenden Pferde kehrten zurück. Der Pferdebestand wurde aber durch die Kriegswirren stark dezimiert, zehntausende ostpreußische Pferde gingen verloren und das Land war verwüstet.

Als langjährige Hauptaufgabe der ostpreußischen Gestüte galt es, geeignete Pferde für die preußische Kavallerie zu züchten, Hauptabnehmer war bis nach Ende des Ersten Weltkrieges das Militär. Dies änderte sich allerdings mit dem Vertrag von Versailles nach Ende des Ersten Weltkrieges jedoch schlagartig, denn demnach musste eine Reduzierung der deutschen Kavallerie von 100 auf unter 20 Regimenter erfolgen. Deshalb handelten das Hauptgestüt Trakehnen, die Landgestute, aber auch die privaten Züchter entsprechend und fokussierten sich auf eine andere Eignung des Trakehner Pferdes, nämlich auf dessen sportliches Potential. Trakehner und Ostpreußische Warmblüter erlangten bald aufgrund der Selektion nach Leistung Weltruhm und etablierten sich zunehmend im internationalen Sportgeschehen, wie spätestens bei den olympischen Spielen 1936 in Berlin eindrucksvoll bewiesen werden konnte: Pferde mit Trakehner Abstammung gewannen dort mehrere Gold- und Silbermedaillen in allen olypmpischen Disziplinen des Pferdesports.

Die härteste Leistungsprüfung galt es zu diesem Zeitpunkt aber noch zu bestehen – nämlich in Form der beschwerlichen und dramatischen Flucht aus Ostpreußen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, die nur etwa 1000 Pferde überleben sollten. Vor diesem epochalen Ereignis stellte das Hauptgestüt Trakehnen mit seinen Vorwerken einen beinahe autarkt wirtschaftenden landwirtschaftlichen Musterbetrieb mit einem Pferdebestand von gut 1000 Pferden und mehr als 6000 Hektar Land dar.

Die fatalen Wirren des zweiten Weltkrieges

Die Wintermonate 1944/45 erwiesen sich für die Bewohner Ostpreußens sowie den Fortbestand der Trakehner Zucht mehr als verheerend: Nach der Einkesselung Ostpreußens durch die russische Armee blieb der Zivilbevölkerung nichts anderes übrig, als die Flucht zu Fuß oder mit dem Pferdewagen überstürzt und ohne jegliche Vorbereitungen kurz vor dem Eintreffen der Streitkräfte anzutreten. Bald stellt sich heraus, dass als einziger Fluchtweg in den Westen lediglich das Frische Haff, ein schmaler Brackwasserbereich in Küstennähe, noch offen ist. Über Land gibt es keine Straßen mehr, die passierbar sind. Es wird geschätzt, dass auf diesem Exodus über das Haff unter widrigsten Umständen mehr als 50.000 Personen ihr Leben verloren. Kälte, Hunger, ständigen Tieffliegerattacken der Alliierten oder Panzersperren erwiesen sich als konstante und traumatische Begleiter der Vertriebenen. 

Von ungefähr 25.000 registrierten Zuchtpferden Trakehnern und ostpreußischen Pferden Trakehner Abstammung kamen lediglich um die 1000 Tiere in Sicherheit an, davon 27 Stuten aus dem Hauptgestüt. Dabei hätte das Ausmaß dieser regelrechten Apokalypse vermutlich bei weitem nicht in diesen Dimensionen stattgefunden, wenn nicht die Bevölkerung Ostpreußens vom damaligen Gauleiter an einer rechtzeitigen Evakuierung und Flucht gehindert worden wäre - denn dies stand selbst in einer bereits aussichtslosen Situation unter Strafe und galt als Dissertationsakt, da eine Flucht nicht mit dem proklamierten Endsieg zu vereinbaren war. In langen Wagentrecks, lediglich mit dem Nötigsten bepackt, führten die ersten Wegstrecken in vermeintlich sicherere Landkreise im Westen. Doch auch diese wurden von der schnell herannahenden roten Armee regelrecht überwältigt, und die Trecks gerieten entweder zwischen die Fronten oder mussten weiter in Richtung Westen ziehen.

Das Vorankommen der Trecks war den Pferden zu verdanken, die teils ausgehungert, verletzt, im brusthohen Brackwasser und ohne Ruhepausen die Wagen weiterzogen. Ehemalige Vertriebene, die mit ihren Pferden aus den Privatgestüten oder mit jenen des Hauptgestüts unterwegs waren, berichten von schierem Durchhaltevermögen, Überlebenswillen und Folgsamkeit der Vierbeiner, die letztendlich für das Überleben der Flüchtenden mit verantwortlich waren. Deshalb und aufgrund des schmerzhaften Verlustes der ostpreußischen Heimat repräsentierten die Pferde für die Vertriebenen das letzte Andeken an zuhause.

Doch leider waren diese nach der Ankunft in Deutschland noch nicht in Sicherheit - die Ressourcen nach dem Krieg waren knapp, die Flüchtenden nicht willkommen, Pferde verhungerten oder erholten sich nicht mehr von den Strapazen. Zusätzlich mussten viele der Pferde, die es in Sicherheit schafften, nach Kriegsende im Form von Reparationszahlungen abgegeben werden. Das Trakehner Pferd war kurz vor dem Aussterben.

Wiederaufbau

Die wenigen überlebenden Pferde Ostpreußens waren auf das gesamte Bundegebiet Deutschlands verteilt, was eine geordnete und konsolidierte Wiederaufnahme der Zucht mehr als schwierig gestaltete. Dennoch war es den vertriebenen Züchtern ein großes Anliegen, die Zucht wenn nur irgendwie möglich, wieder aufzunehmen. Das Trakehner Pferd als letztes Andeken an die Heimat und Kulturgut musste weiterbestehen. So ist es letztendlich dem kontinuierlichen und unermüdlichen Einsatz der Pferdemenschen aus dem früheren Ostpreußen zu verdanken, dass die Zuchtagenden trotz aller Widrigkeiten sukzessive wieder aufgenommen werden konnten und die Bestandszahlen sich langsam wieder erholten. Heute, nach mittlerweile mehr als 70 Jahren nach dem Beinahe-Untergang, gibt es weltweit ungefähr 4000 eingetragenen Trakehner Pferde. Dennoch ist das Fortbestehen dieser traditionsreichen Pferderasse immer wieder von Herausforderungen geprägt, die marktorientierte, zeitgemäße und praktikable Lösungen erfordern. 

Quellen

Quellen

  • Clough, Patricia (2014): In langer Reihe über das Haff: Die Flucht der Trakehner aus Ostpreußen. Pantheon Verlag, 2. Auflage.
  • Trakehner Verband e.V.
  • Verein der Freunde und Förderer des ehemaligen Hauptgestütes Trakehnen e.V.
  • Die große Flucht – Das Schicksal der Vertriebenen. Dokumentation von Christian Deick und Annette Tewes, ZDF/2004 nach Guido Knopp
  • Zurück zu den Wurzeln, in: Der Trakehner, Ausgabe 2/2007
  • Gehrmann, Lars (2009): Eine Reise nach Trakehnen. Werner Menzendorf im Paradies der Pferde. Cadmos Verlag.
  • Frühling in Trakehnen – Kulturfilm der UFA, 1936
Trakehner Gestüt